Der künstlerische und philosophische Hintergrund der Existenzbilder
 
Der Begriff des "Existenzbilds" wird um die Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals durch den Kunsthistoriker Jacob Burckhardt geprägt, der damit bestimmte Tendenzen der Venezianischen Renaissance-Malerei beschreibt – etwa Bilder Giorgiones, bei denen "das Ereignis Vorwand wird zur Darstellung der bloßen Existenz", oder andere Werke, die vor allem darauf abzielen, "ein schönes und freies Menschengeschlecht im Vollgenuss seines Daseins zu feiern."
Keine schlechte Beschreibung auch für Alfred Lehmanns Existenzbilder. Ein wichtiger künstlerischer Einflussfaktor ist der von Lehmann hoch geschätzte Hans von Marées: Seine Gemälde von nackten Menschen in der Natur sind Existenzbilder par Excellence und verstehen sich auch als solche: Der klassisch-schöne, am hellenistischen Ideal orientierte Mensch, der zu einem ganzheitlichen Leben im Einklang mit der Welt zurückgefunden hat – das ist ihr Thema. Pate stehen zudem das große Idol Cézanne mit seinen "Badenden", die "badenden Knaben" des einstigen Akademielehrers Christian Landenberger und vor allen Dingen Adolf Hölzel, der mit seinen Theorien den inneren Aufbau der Lehmannschen Figurenkompositionen maßgeblich beeinflusst.
Schließlich und endlich reflektieren die Existenzbilder Alfred Lehmanns aber auch bestimmte philosophische Gedanken, die sich der Stuttgarter Künstler zu Eigen gemacht hat. Spürbar ist beispielsweise die Kulturkritik eines Leopold Ziegler, der – durchaus in Lehmanns Sinne – gegen die moderne Weltanschauung des puren Rationalismus und Materialismus zu Felde zieht und eine "kosmisch-allheitliche Verbundenheit des Menschen mit dem Absoluten" propagiert. Oder Konrad Fiedler, der in der Kunst ein Mittel sieht, durch das sich "der Mensch aus seiner vereinsamten Stellung zu erlösen und den Zusammenhang mit der Natur wiederzugewinnen sucht".