Alfred Lehmanns Existenzbilder in den 60er Jahren
 
Die Existenzbilder Alfred Lehmanns sind ein Projekt, das sich über Jahrzehnte erstreckt und in dem der Maler sein Thema immer wieder aufs Neue umkreist und variiert. Die Grundstruktur der Bilder – die ideale "Menschengemeinschaft an sich" in einer idealen "Welt an sich" – bleibt stets gleich. Die Umsetzung jedoch entwickelt sich permanent weiter.
In den frühesten Bildern ist noch eine gewisse "realistische" Räumlichkeit der menschlichen Körper und der Gesamtdarstellung vorhanden, die sich aber im Lauf der Zeit mehr und mehr verliert: Die Fläche ist das Medium des Malers, nicht der Raum – und so nimmt Lehmann bei seinen Existenzbildern die Illusion der Dreidimensionalität immer weiter zurück. Häufig setzen sich die Gemälde – fast wie Glasfenster – aus einzelnen Farbflächen zusammen, die durch kräftige Konturen klar voneinander abgegrenzt sind und eine kristalline, fast kubistische Anmutung erzeugen.
Ohne ganz ungegenständlich zu werden, tendieren die Bilder der späteren Schaffensperiode zu einem höheren Grad an Abstraktion. Das lässt sich bereits aus vielen der Bildtitel ablesen: Namen wie "Dreiergruppe Rot-Blau-Ocker", "Gruppe Rot-Grün" oder "Rhythmische Vierergruppe" sprechen von Kunst, von gestalterischem Experiment – nicht von naturalistischer Naturnachahmung.
Betrachtet man Gemälde wie die "Rhythmische Vierergruppe" von 1963 wird deutlich: Sowohl die Farben der Landschaft (die schon lange keine wirklich erkennbare Landschaft mehr ist!) als auch die Farbgestaltung der Figuren entfernen sich zunehmend von den Farben der Realität. Die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Bildelementen verschwimmen: Mensch und Natur finden zusammen in einer präzise durchkomponierten Einheit aus Farbe und Form. Mit den Mitteln der Kunst wird eine fragmentierte Welt wieder "ganz".
"Die Fläche ist auf geheimnisvolle Weise wieder das Ganze. Das Ding wird seiner Gegenständlichkeit beraubt, um neu als Geist-Ding existent zu werden, indem es in die Länge und Breite auf der Fläche des Malers, dem geistigen Feld, geortet wird."