Alfred Lehmann in den Jahren 1916 bis 1945 |
Alfred Lehmann, der zeichnerisch talentierte Junge aus bürgerlich gediegenem, kunstsinnigen Haus, wächst auf in einer künstlerisch quicklebendigen Epoche. Und die intellektuelle Szene seiner Heimatstadt Stuttgart ist gerne bereit, sich auf die Provokationen neuer Kunst einzulassen. Seit 1906 lehrt an der Stuttgarter Akademie Adolf Hölzel, Pionier der abstrakten Kunst schlechthin, der sich von "Außerkünstlerischem" in der Kunst (sprich Gegenständlichem) fast vollständig verabschiedet hat. 1907 macht die französische Moderne im Kunstverein Station: Gauguin, nahezu alle "Nabis" (eine avantgardistische Pariser Künstlergruppe der Jahrhundertwende, der z.B. Aristide Maillol angehört), Seurat und van Gogh sind zu sehen. Die ständige Ausstellung des Kunstvereins präsentiert Werke von Corinth, Modersohn-Becker und Baumeister. 1913 wird das neue Kunstgebäude am Schlossplatz mit schwäbischen und deutschen Bildern, aber auch mit Werken Courbets, Cézannes, Gauguins, van Goghs und sogar Picassos eröffnet. Der neue Kunstsalon am Neckartor zeigt Baumeister, Schlemmer und Stenner. Aufbruch, Veränderung und nicht selten auch Revolte: In diesem Umfeld muss der junge Maler Alfred Lehmann seinen Platz finden, Stellung beziehen. Kein Wunder, dass die Auseinandersetzung mit der Moderne das künstlerische Denken und Handeln Lehmanns zeitlebens prägt – von der Akademiezeit bis hin zu den kunsttheoretischen Diskussionsbeiträgen der späten 40er und frühen 50er Jahre. In dieser Auseinandersetzung wird Lehmann stets ein Verfechter der Gegenständlichkeit (nicht aber der simplen Naturnachahmung!) bleiben. Eine quasi autistische Kunst ohne Weltbezug – so führt er in seiner Baumeister-Kritik von 1949 aus – muss zwangsläufig unvollständig und unbefriedigend bleiben. Sie wird dem menschlichen Auftrag, die Welt in ihrer Ganzheit zu erkennen, nicht gerecht. |