Die Heimatstadt als Motiv
Alfred Lehmann verbringt viele Jahre seines Lebens in Stuttgart – da kann es
nicht ausbleiben, dass der Maler auch in der Heimatstadt zahlreiche Motive für
seine Kunst entdeckt. Dennoch ist Alfred Lehmann meilenweit davon entfernt, ein
"Heimatmaler" zu sein. Die Stuttgart-Bilder sind Teil der Lehmannschen
Landschaftsmalerei – und diese beruht weniger auf biedermeierlicher
Sentimentalität als auf einem ganz bestimmten künstlerischen Konzept: Die
Grundstrukturen der Welt "vor der eigenen Haustür" zu erkunden. Bereits die
Freilichtmaler des 19. Jahrhunderts hatten dieses Konzept zum Programm erhoben
und auch Alfred Lehmann platziert seine Staffelei in den Gärten, in den Wäldern
und auf den Hügeln seiner unmittelbaren Umgebung, um die Natur in ihrem Wesen
zu erfassen.
Dabei entstehen zum einen zahlreiche Waldbilder in der Gegend des Stuttgarter
Bopserwalds, denen naturgemäß jedes stuttgartspezifische Element fehlt: Hier
interessieren vor allem die künstlerischen Möglichkeiten, die das Motiv "Wald"
durch seinen besonderen Charakter eröffnet. Andererseits kommt ein Mann wie
Alfred Lehmann – der stets ein hervorragendes Auge für spannende
Landschaftskonstellationen beweist – auch an der extrem reizvollen Stuttgarter
Hügellage nicht vorbei.
In den Stuttgart-Bildern von 1951 und 1953 richtet der Maler seinen Blick von
oben auf den markanten Stuttgarter Kessel. Dabei zeigt sich, was die
Stuttgarter "Stadtbilder" dann doch auf interessante Weise von Alfred Lehmanns
übrigem Werk unterscheidet: Nur in den Stuttgart-Bildern treten Spuren des 20.
Jahrhunderts zu Tage. Zwischen dem Grün der Bäume, den Wolken des Himmels und
den geschwungenen Hügeln sind die kubischen Gebäude der Großstadt zu sehen.
Lehmann muss der Kontrast zwischen den kantigen Gebäuden und den weichen Linien
der Natur aus künstlerischen Gründen gereizt haben.
Beim Bild "Gärten am Frauenkopf – Stuttgart" von 1961 wird die Örtlichkeit
"Stuttgart" wieder ganz zur Nebensache. Die kräftigen Farben, der Bildaufbau,
die Pinselführung: Das alles lässt an die Gemälde denken, die Lehmann zur
gleichen Zeit auf seinen zahlreichen Reisen ans Mittelmehr schafft.