Leben und Memento Mori
Wenn sich Alfred Lehmann mit der Natur und den Gegenständen der Welt
beschäftigt, hat er vor allem ein großes Interesse: Die Landschaft. Der Maler
geht hinaus, lässt seine Motive im Wechsel des Lichts auf sich wirken und
verwandelt sie in seine eigene künstlerische Komposition. Durch die
künstlerische Ausdeutung der Natur glaubt Lehmann, den Geheimnissen der Welt
auf die Spur kommen zu können.
Das Stillleben ist eine andere Art, die Dinge zu sehen: Hier stellt sich der
Maler sein Motiv selbst zusammen, schafft bereits bei der Zusammenstellung des
Motivs ein eigenes "Werk" – sodass sich der kreative Prozess gewissermaßen
verdoppelt.
Mit 56 Ölbildern machen die Stillleben einen eher geringen Teil von Lehmanns
Werk aus. Vor allem in der kalten Jahreszeit widmet sich der Maler diesem
klassischen Genre.
Die Arrangements sind bewusst unspektakulär gehalten – auf besonders
symbolträchtige Gegenstände wird verzichtet. Früchte, Brot, Gefäße, ein
aufgeschlagenes Buch: darauf beschränken sich die Accessoires in Lehmanns
Stillleben. Und oftmals zeigen die Bilder des Naturliebhabers Alfred Lehmann
einfach nur eines: Blumen.
Die typische Konstellation: Auf einem Tisch befindet sich (üblicherweise im
Zentrum des Bilds) ein einfaches Gefäß mit Blumen. Meist handelt es sich dabei
um Blumen mit voluminösen Blüten oder dicht gewachsenen zarten Blütenblättern –
Motive also, die sich mit großzügigem, bewegungsreichen Farbauftrag wiedergeben
lassen.
Wie im gesamten übrigen Werk Alfred Lehmanns geht es auch bei den Stillleben
nicht um detailgetreue Naturnachahmung. Wichtig ist Lehmann das Zusammenspiel
der Bildmotive untereinander. Wie beeinflussen bestimmte Farbkontraste und
Farbverwandtschaften die Anmutung der Bilder? Aspekte wie diese – nicht
naturwissenschaftliche Präzision – machen den Reiz der Bilder aus. Dabei sind
Blumen und Hintergrund teils deutlich voneinander abgegrenzt (wie im Bild
"Rosen" von 1967). In anderen Gemälden hingegen spielen Form- oder Farbgebung
der Blumen intensiv in den Hintergrund hinein, sodass der Übergang fast
fließend wirkt: Die Vitalität der Blumen, die Dynamik ihrer Farben greift auf
die an sich leblose Umgebung über. Andererseits ist aber auch das Thema
Vergänglichkeit ständig präsent in den Stillleben Alfred Lehmanns – entweder
ganz direkt durch die Darstellung verblühender Blumen. Oder als Gedanke im
Hintergrund: Denn wo liegen Leben und Vergehen enger zusammen als in der
Farbenpracht eines Blumenstraußes?